Kennen Sie das? Sie stehen vor einer wichtigen Entscheidung, aber in Ihnen herrscht Chaos. Ein Teil von Ihnen will unbedingt vorwärts stürmen, während eine andere Stimme voller Zweifel warnt. – Willkommen in der Welt des Inneren Teams! Aber was ist das Innere Team?
Was ist das Innere Team? Ein Modell für bewusste Führung
Das Konzept des Inneren Teams wurde vom Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun in den 90er Jahren entwickelt und beschreibt die unterschiedlichen inneren Stimmen, die unsere Gedanken und Handlungen beeinflussen. So wie in einem echten Team gibt es verschiedene Charaktere mit eigenen Meinungen, Bedürfnissen und Emotionen. Typische Mitglieder Ihres Inneren Teams könnten sein
- Der Kritiker/ die Kritikerin: Hinterfragt alles und warnt vor Fehlern.
- Der/die Mutige: Will Neues ausprobieren und Risiken eingehen.
- Der Zweifler/ die Zweiflerin: Ist unsicher und zögert Entscheidungen hinaus.
- Die/der Begeisterte: Sieht Chancen und ist voller Tatendrang.
- Der/die Harmoniebedürftige: Möchte es allen recht machen.
- Das Innere Kind: Reagiert emotional, sucht Sicherheit und Anerkennung.
- Die Mütterliche: Sorgt für emotionale Wärme und will beschützen.
- …
Warum innere Klarheit für Führungskräfte entscheidend ist
Die inneren Anteile, die sich in unterschiedlichen Situationen zu Wort melden, können unterschiedlich sein. Sie können sich auch unterschiedlich laut zu Wort melden. Aber jeder dieser Anteile hat eine Funktion. Der Kritiker z.B. schützt uns vor vorschnellen Entscheidungen, die Mutige treibt uns an, und der Harmoniebedürftige sorgt für gute Beziehungen. Doch wenn diese Stimmen nicht geordnet sind, kann es zu inneren Konflikten kommen – dann fühlen wir uns hin- und hergerissen.
Praxisbeispiele: Führungssituationen mit dem Inneren Team meistern
Eine Führungskraft, die ich begleite, stand vor der Frage, wie sie eine neue Urlaubsregelung in ihrem Bereich umsetzen sollte. Im Coaching erzählte sie eindrücklich, wie in ihr ganz unterschiedliche Stimmen durcheinanderredeten:
- Der Kritiker: „Wenn das nicht funktioniert, verliere ich die Unterstützung des Teams.“
- Die Mutige: „Es ist wichtig, klare Strukturen zu schaffen.“
- Die Harmoniebedürftige: „Ich möchte keinen Streit auslösen.“
- Der Stratege: „Welche langfristigen Folgen hat diese Entscheidung?“
Sie wirkte hin- und hergerissen und spürte ein starkes Unbehagen. „Ich habe Sorge, dass mir vorgeworfen wird, ich würde über die Köpfe aller hinweg entscheiden“, sagte sie. Wir nahmen uns Zeit, jede Stimme ausführlich anzuhören und ihre Botschaften ernst zu nehmen. Im Prozess wurde klar, dass sie einen Weg finden wollte, der sowohl Klarheit schafft als auch Raum für Mitgestaltung lässt.
Wir entwickelten eine Kommunikationsstrategie: Die Mutige gab ihr den Antrieb, das Thema aktiv anzugehen. Der Stratege half, die Entscheidung in nachvollziehbare Schritte zu gliedern. Und wir luden ein neues Mitglied ins Innere Team ein: die Kommunikative. Diese Stimme erinnerte sie daran, dass ein transparenter Prozess viel Vertrauen stiftet.
Am Ende entschied sie sich, die neue Regelung in der nächsten Dienstbesprechung vorzustellen, die Beweggründe klar zu erläutern und gemeinsam mit dem Team Details auszuarbeiten. Vorab hatte sie sich überlegt, welche Punkte für sie nicht verhandelbar sind und wo sie den Teammitgliedern eigenen Entscheidungsspielraum einräumen konnte. Das Was der Regelung war klar vorgegeben, das Wie konnte das Team weitestgehend selbst gestalten. „So bleibe ich klar in der Führung, aber gebe allen die Chance, ihre Perspektive einzubringen“, sagte sie am Ende der Sitzung. Ihr Inneres Team fühlte sich sichtbar sortierter an – und sie wirkte spürbar erleichtert.
Das Endergebnis:
Durch dieses Vorgehen, hatte keine Unruhe im Team zu der neuen Regelung. Im Gegenteil. Es gab Einsicht für die Neuregelung und das Team war sehr glücklich darüber, dass es mit gestalten durfte…
Umgang mit Konflikten: Das Innere Team in der Leitungssupervision
In der interdisziplinären Fallkonferenz wiederholt sich eine angespannte Situation: Ein Oberarzt kommentiert wiederholt herablassend die Vorschläge seiner Kollegin, einer Oberärztin, zur Behandlung komplexer Patienten. Zwischen den Zeilen schwingt spürbare Abwertung. Die Kollegin spürt Ärger und Frustration. Ihr Inneres Team meldet sich laut:
- Die Gekränkte: „Ich habe es satt, dass er immer alles besser wissen will!“
- Die Feministin: „Das lass ich mir nicht bieten. Zeig dem Cheauvi mal, wo der Hammer hängt!“
- Die Wut: „Geig ihm die Meinung: Jeder Trottel ist besser strukturiert als der.“
- Die Mahnende: „Halte dich zurück. Ein Ausraster wäre unprofessionell.“
- Die Wut: „Aber es reicht einfach! Irgendwann muss man auch Grenzen setzen.“
Tagelang bleibt ein ungutes Gefühl. Sie ist nicht nur wütend auf ihn, sondern auch auf sich selbst. Warum hat sie nichts gesagt? Warum hat sie es wieder über sich ergehen lassen?
Eine Kollegin rät ihr: „Ignoriere ihn einfach. Zu mir ist der auch so. Setz dich drauf“ Doch die Wut bleibt. In der Leitungssupervision reflektieren wir: Was möchte die Wut zum Ausdruck bringen? Wut ist kein „Fehler“! Sie zeigt an, dass eine persönliche Grenze überschritten wurde. Dahinter steckt also das berechtigte Bedürfnis nach Abgrenzung und Respekt.
Diese Erkenntnis bringt die Wende. Statt die Wut zu verdrängen und Gefahr zu laufen, dass es in der nächsten Konferenz unkontrolliert aus ihr herausplatzt, erarbeitet sie eine Strategie. Sie übt, eine klare, aber dennoch sachlichen Aussage zu treffen um ihre Grenze zu ziehen. Im stressfreien Rahmen der Supervision findet sie eine Sprache, die sowohl ihre Grenze wahrt als auch ihrer Rolle als Qualitätsmanagerin gerecht wird. Sie geht gestärkt aus der Reflexion heraus — mit einem klaren inneren Team, das gemeinsam an einem Strang zieht.
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Wer spricht in mir? Selbstcoaching mit dem inneren Team
Lernen Sie Ihr inneres Team kennen – mit der Vorlage zum Selbstcoaching. Ihre Vorlage für reflektierte Führung – kostenlos zum Download:
Selbstcoaching: Wie Sie Ihr Inneres Team erfolgreich führen – Tipps zum Selbst-Coaching für das Innere Team:
„Das Innere Team ist das Entwicklungsziel, der >zerstrittene Haufen< oft der reale Ausgangspunkt.“ (Schulz v. Thun, Miteinander Reden: 3, 2018, S.34).
Gute Führungskräfte hören ihrem Team zu, wägen Argumente ab und treffen dann eine Entscheidung. Genau das können Sie auch mit Ihrem Inneren Team tun:
- Erkennen Sie Ihre inneren Stimmen: Welche Anteile sind gerade aktiv? Was ist ihre Botschaft?
- Geben Sie ihnen Raum: Hören Sie ihnen bewusst zu. Wenn sie ignoriert werden, werden sie immer lauter.
- Was ist das Bedürfnis hinter der Stimme (Emotion)? Wie können Sie die Emotion kanalisieren und sich selbst etwas Gutes tun? Manchmal muss erst Dampf abgelassen werden: Sport, ein Spaziergang, ein gutes Gespräch und dann das klärende Gespräch (in einer sachlichen Form!) suchen!
- Moderieren Sie den inneren Dialog: Wer hat in dieser Situation die wichtigste Stimme? Welche Perspektiven sind hilfreich?
- Treffen Sie eine (selbst-)bewusstere Entscheidung: Nachdem alle Stimmen gehört wurden, entscheiden Sie, wie Ihr Handeln geleitet sein soll.
Das Innere Team als Schlüssel zu souveränen Entscheidungen
Es bedarf etwas Übung, aber regelmäßig angewandt, lernt man, sein inneres Team als Ressource zu nutzen. Anstatt sich von widersprüchlichen Gedanken verunsichern zu lassen, können sie dazu dienen, ausgewogenere Entscheidungen zu treffen. Lernen Sie, Ihre Stimmen zu ordnen und bewusst Entscheidungen zu treffen – so werden Sie zum souveränen Leiter Ihres eigenen inneren Führungsgremiums (und auch des Außen Teams).
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